Ein Blick zurück nach vorn

Ein Kommentar von KönzgenHaus-Geschäftsführer Norbert Jansen und seinem Team; über das, was war und das, was da noch kommt.

Offene Tür im KönzgenHaus

Ein Blick zurück nach vorn

Ein Kommentar von KönzgenHaus-Geschäftsführer Norbert Jansen und seinem Team; über das, was war und das, was da noch kommt. Die alles einnehmenden Schlagzeilen der vergangenen Monate – Pandemie, Lockdown, Maskenpflicht, Hygienekonzepte. Alles steht Kopf. Wir erfinden uns neu. Die letzten Monate haben alle schwer gebeutelt und wir suchen nach den neuen Leitplanken - in unserem Alltag, bei der Arbeit, im Zusammenleben.

Das KönzgenHaus im Herbst: Suchbewegung und „lernende Organisation“

Im KönzgenHaus sind nach wie vor einige Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit; voraussichtlich bis Dezember. Aber: Wir mussten keine*n einzige*n Mitarbeiter*in entlassen! Dank einer starken Mitarbeiter*innenvertretung, einer soliden wirtschaftlichen Ausgangslage zu Beginn der Pandemie und einer Dienstvereinbarung konnten wir das Kurzarbeitergeld aufstocken.

Wenn die Krise hoffentlich bald endet, dann finden wir uns wieder in einer Welt, die sich neu sortieren muss. Einer Welt, in der nicht einfach alles so weiter geht wie bisher und in der wir uns in erstaunlicher Geschwindigkeit von bisherigen Gewohnheiten und Gewissheiten verabschieden müssen – oder bereits mussten.

Viele Arbeitnehmer*innen wie Arbeitgeber*innen haben die Vorzüge des Homeoffice sowie die Möglichkeiten der Weiterbildung per Videokonferenzen und Online-Seminaren entdeckt. Allerdings erreichen uns mittlerweile auch die ersten kritischen Betrachtungen dieser „neuen Freiheit“ und dringende Anfragen nach Rückkehr zu „echten“ Seminaren beziehungsweise einer Verbindung von analogen und digitalen Formaten.

„Hunger nach Resonanz“ (Hartmut Rosa)

Mehr denn je zeigt sich nach Corona die Notwendigkeit einer Bildungsarbeit, die auf Begegnung und Gruppenpädagogik setzt. Das KönzgenHaus war schon immer nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, sondern einer der Debatte, der Ideen, der sozialen Begegnung. In dieser nicht nur lehrenden, nicht nur dozierenden Seminararbeit gestalten wir „Resonanzräume“, die Menschen verbinden und Sinn stiften. Belange und Interessen der*s Einzelnen werden transzendiert und die Gemeinschaft wird zum Schwingen gebracht.

Gerade in einer Zeit, in der als Folge von Corona das „Social Distancing“ zur kulturellen Norm wird, in der Menschen sich ängstlicher, misstrauischer, unsolidarischer verhalten und bewegen, ist das wichtiger denn je. PRÄSENZ ist notwendig, damit wir uns nicht aus den Augen verlieren!

Den „aufrechten Gang“, um den es in unserer politischen Bildung immer geht, erlernt man durch Diskussion, Kontroversen, Irritationen, die Zumutungen der personalen Begegnung, Erfahrung von Solidarität und praktische Erprobungen. All dies erfordert „Zwischenräume“ und „Zwischentöne“ und funktioniert am besten durch mehrtägige Seminare, in denen Zeit und Raum vorhanden ist und die durch unseren erfahrenen Referenten*innen pädagogisch professionell begleitet werden. Und dieser Meinung sind wir nicht, weil wir Betten und attraktive Begegnungsräume haben, die wir „irgendwie“ füllen müssen; von diesem Bildungsverständnis sind wir zutiefst überzeugt!

Diese für eine Bildungsstätte wie unsere seit Jahrzehnten selbstverständliche Gewissheit müssen und werden wir angesichts coronabedingter Widrigkeiten und Vorbehalte neu buchstabieren. Unsere Herausforderung: Das Miteinander zu stärkenund reale Begegnungen durch sinnvolle Ergänzung mit digitalen Formaten zu verbinden. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten gute Erfahrungen gemacht, lernen ständig dazu und entwickeln im Austausch mit Kooperationspartner*innen und Gastgruppen neue didaktische Konzepte.

Corona geht - Kapitalismus bleibt?

Die arbeitsreichen und bewegenden Wochen der Pandemie haben uns nicht davon abgehalten, unsere dringenden Themen und Anliegen weiter zu verfolgen; einige sind durch Corona eher noch pointierter zu Tage getreten!

"Der Immer-Weiter-Schneller-Mehr-Kapitalismus der letzten 30 Jahren muss aufhören", sagte Entwicklungshilfeminister Müller (CSU) der "Rheinischen Post" am 03.05.2020. Müller mahnte: "Die Corona-Krise ist ein Weckruf an die Menschheit, mitNatur und Umwelt anders umzugehen. Ein Auslöser der Pandemie liegt auch am Raubbau an der Natur, in der Rodung der Regenwälder. Deswegen müssen wir umdenken und können nicht einfach zur Normalität der Globalisierung zurückkehren."

  • Wie gelingt uns Entschleunigung und eine Rückkehr zu der von Hartmut Rosa so genannten „Unverfügbarkeit“?
  • Wie ist ein anderes Wirtschaften möglich?
  • Wie kann die Krisenlast gerecht verteilt werden?
  • Welche gesellschaftlichen Bereiche sind „systemrelevant“?
  • Was sind Forderungen aus Arbeitnehmer*innensicht?

Das Könzgenhaus packt an!

Wir initiieren und beteiligen uns an Debatten um Grundrechte, die Balance von Freiheitsrechten und die solidarische Verantwortung. Unser neues MAV-Programm, das in diesen Tagen veröffentlicht wird, ist umfangreicher und vielgestaltiger denn je.

Unsere neue Veranstaltungsreihe „(Un-)würdige Arbeit“ hat mit Peter Kossen und dem „Fall der Fleischindustrie“ ihren Auftakt am 05.11.2020. Veranstaltungen mit regionalen Kooperationspartner*innen zu aktuellen Aspekten der Lebenssituation Geflüchteter (zur Zeit die Unterbringung in Sammelunterkünften)gehen weiter und werden intensiviert. Die familienpädagogische Arbeit, vor allem auch mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen, wird weiterentwickelt. Internationale entwicklungspolitische Seminare zu Auswirkungen von Klimawandel und Energiepolitik (am 5./6.12.2020) sowie europäische Tagungen werden weitergeführt und intensiviert.

Nicht nur Außenlinie, sondern Spielfeld

Die komplette Belegschaft verstärkt ihre Anstrengungen, bei den Diskursen nicht nur mit Analysen, Diskussionen und Moderation an der „Außenlinie“ beteiligt zu sein, sondern sich selber auf das konkrete, mitunter mühsame „Spielfeld“ zu begeben:

  • Wo kann das KönzgenHaus energieeffizienter werden?
  • Wie können wir unsere CO2-Bilanz verbessern?
  • Wie stellen wir unsere Einkaufspolitik auf regionale, saisonale und nachhaltig produzierte Waren um?

Bei uns gibt es kein Fleisch aus Massentierhaltung, auch Eier aus Legebatterien werden bei uns nicht verarbeitet; es gibt nur noch fair gehandelten Kaffee und Strom aus regenerativen Energien.

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!“

Worte des 1770 geborenen Dichters Friedrich Hölderin, die auch in der aktuellen Unsicherheit Trost spenden und Orientierung geben. Machen Sie sich mit uns zusammen auf den Weg der Bewältigung dieser Transformationszeit!

Wir freuen uns auf Sie!

Für das Team des KönzgenHauses,
Norbert Jansen
Geschäftsführer

 

Foto: Maik Meid