Mit dem gemeinsamen Seminar der deutschsprachigen KAB-Bewegungen ist am Wochenende auch der Startschuss für das KompetenzZentrum Internationale Bildung der KAB Deutschlands gefallen. Ursprünglich geplant als große Konferenz im Halterner KönzgenHaus kamen die internationalen Teilnehmenden aufgrund der aktuellen Situation für die zukunftsweisende Veranstaltung nun digital zusammen.
„Sehen, Urteilen, Handeln“
Zwei Tage lang haben sich die 45 Teilnehmenden des Europäischen Seminars mit dem Thema prekäre Arbeit in Europa auseinandergesetzt. Neben dem Austausch bisher gemachter Erfahrungen und dem „Realitätscheck“ durch Expert*innen aus KAB, KVW und CAJ sorgten Prof. Dr. Werner Nienhüser als Arbeits- und Organisationsexperte sowie die evangelische Sozialethikerin PD Dr. Sabine Plonz für die wissenschaftliche Expertise.
Corona-Pandemie als Verstärker
Die zentrale Frage, ob sich das Thema der prekären Arbeit während der Pandemie weiter verschärft hat, mussten die Teilnehmenden leider eindeutig bejahen. Insbesondere diejenigen, die schon vorher am unteren Ende verdient haben und regelrecht für ihren Lohn schuften mussten, waren mit Ausbruch des Coronavirus die besonders Leidtragenden, die kaum vor einer möglichen Ansteckung geschützt wurden. Darüber hinaus haben die Zukunftsängste vor allem auch in den Branchen mit prekärer Arbeit weiter zugenommen.
Empowerment, Gewerkschaften und Wadenbeißer
„So muss beispielsweise die Gruppe der 24-Stunden-Betreuungskräfte in allen betrachteten Ländern unter besonders prekären und teilweise fast sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten.“ erklärt Christoph Holbein-Munske, pädagogischer Mitarbeiter im KönzgenHaus sowie Moderator und Koordinator der Veranstaltung. „Der Pflegenotstand wird quasi auf ihrem Rücken ausgetragen. Hier sind wir als KAB gefragt: Durch gezieltes Empowerment müssen wir dafür sorgen, dass sich daran etwas ändert!“ Dafür brauche es zwingend die Macht von Arbeitnehmenden und Gewerkschaften, forderte Werner Nienhüser in seinem Vortrag. Und auch Sabine Plons machte ihre Forderung für diese Branche ganz deutlich: „Keine Gewinne in der Pflege!“
Für die zweitägige Veranstaltung zieht KönzgenHaus-Geschäftsführer Norbert Jansen ein positives Fazit: „Wir haben noch einmal mehr als deutlich gemacht, dass das Thema der prekären Arbeit gerade in und nach der Corona-Pandemie wichtiger denn je ist. Der Themenschwerpunkt „Menschenwürdig statt prekär“, den die KAB Deutschlands ganz aktuell gesetzt hat, kommt genau zur rechten Zeit; an diesem Thema müssen und werden wir zwingend dranbleiben, dürfen nicht lockerlassen!“
Europaweites Netzwerk
„Menschenunwürdige und prekäre Arbeit ist europaweit ein wichtiges Thema“, bekräftigt auch Holbein-Munske. Umso wichtiger sei es, dass sich die europäischen KAB-Bewegungen diesbezüglich weiter vernetzen und koordinieren, um es gemeinsam weiter in den öffentlichen Fokus zu rücken und Verbesserungen zu erreichen. „Bei unserer Veranstaltung sind bereits sehr gute und konkrete Ideen für den weiteren gemeinsamen Austausch entstanden, insbesondere in Bezug auf die Organisierung der 24-Stunden-Betreuungskräfte oder auch auf das bedingungslose Grundeinkommen.“
Man werde die gemeinsamen Überlegungen auf jeden Fall weiter intensivieren. Und auch für ein anknüpfendes Seminar im kommenden Jahr gibt es schon konkrete Pläne; dieses soll dann voraussichtlich in Südtirol stattfinden.