„Nur, wenn es allen gut geht, leben wir gut!“
Entwicklungspolitische Fachtagung vom 07.-08.12.2019 im KönzgenHaus
Vom 7.-8.12.2019 wurde es bunt im KönzgenHaus. Farbe brachten unter anderem die südamerikanischen Referent*innen in die gemeinsame entwicklungspolitische Fachtagung von KönzgenHaus, KAB Deutschlands und dem Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat; zum Beispiel mit einem Aguayo, der traditionellen südamerikanischen Multifunktionsdecke.
In diesen Stoff werden bei der Fertigung auch Visionen eingewebt, so Rosalia Choque Mamani. Die Ortsvorsteherin und Aktivistin sowie der Agraringenieur Ricardo Crespo Torrico erleben in ihrer ländlichen Heimat nahe der Großstadt Cochabamba hautnah die Auswirkungen von Wachstumsideologie und Klimawandel.
Gemeinsam im Einklang mit der Natur - Erfolgsprojekt von der Südhalbkugel
Zunehmende Trockenheit und Armut treibt seit Jahrzehnten immer mehr Landbewohner in die Slums der Städte. Dagegen helfen gute Ideen und vor allem Mut, Engagement und soziale Beziehungen helfen, wie die Gäste hier in Haltern sehr anschaulich berichteten. Mit einem simplen, aber effektiven Bewässerungsprojekt, der Umstellung auf ökologische Landwirtschaft und dem Aufforsten von Bäumen hat es die Gemeinde Tapacarí zu einem friedvollen und auskömmlichen Leben geschafft. Hier hungert heute niemand mehr; stattdessen können durch den Überschuss der Ernte nun sogar noch zusätzliche Einnahmen erzielt werden.
„Gutes Wachsen lassen“- Buen vivir und Postwachstum als Modelle für das Gemeinwohl
Dieses überzeugende Beispiel von Menschen, die in einem kleinen bolivianischen Dorf gemeinsam etwas hinbekommen, reicherte Michael Kuhnert, weitgereister Geschäftsführer des Missionsärtztlichen Instituts in Würzburg, mit dem Manifest des „Buen vivir“ an.
Dieses Prinzip des „Guten Lebens“ stammt ebenfalls aus Südamerika und genießt in Bolivien und Ecuador bereits Verfassungsrang. Der Grundgedanke dahinter: Alles Leben und Wirtschaften muss stets im Gleichgewicht sein, Ressourcenverbrauch mit Augenmaß und als Kreislaufwirtschaft geschehen. Buen Vivir ist umweltverträglich, sozialverträglich und „enkeltauglich“. Denn „nur wenn es ALLEN gut geht, leben wir gut“, so Kuhnert. Dazu passe das banale Wirtschaftswachstum, wie es bei uns im Westen propagiert wird, natürlich überhaupt nicht.
Gemeinwohlökonomie und ökologischer Fußabdruck
Zwar gibt es auch in Deutschland bereits vorhandene Ansätze zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise; diese stellte Tobias Daur von „lands-concepts“ mit der „Gemeinwohlökonomie“ vor. Doch der politische Weg zu den notwendigen Rahmenbedingungen ist noch weit. Wie in Bolivien liege es aber auch hier in der Hand von Menschen mit Mut und Überzeugung, mehr im Einklang mit Natur, Ressourcen und Menschenwürde zu wirtschaften; immerhin ist ja bereits im Grundgesetz festgelegt, dass Wirtschaft und Eigentum dem Gemeinwohl verpflichtet sind.
„Wir steuern in eine Phase des unwirtschaftlichen Wirtschaftswachstums“. So lautet die gut begründete Feststellung von Ökonom Helmut Federmann aus Königswinter. Aus wissenschaftlicher Sicht verdeutlichte er die ökonomische Bedeutung von ökologischer Grenzüberschreitung und die Notwendigkeit von neuen Besteuerungsgrundlagen, zum Beispiel für Energie. Zum „Buen Vivir“ ist es hierzulande also noch ein steiniger Weg, so der Konsens aus der Veranstaltung.
Doch Teilnehmer*innen wie Referent*innen stellten zum Abschluss fest:
Mit ihren Themen, Kampagnen und Vorschlägen rund um Arbeit, Grundeinkommen und zur Rente ist die KAB die ersten Schritte auf diesem Weg zum „Guten Leben“ schon gegangen.