In Teil 1 unserer Serie zur MAV-Arbeit vom 04.12.2020 ging es darum, warum diese so enorm wichtig ist.
Im zweiten Teil unserer Serie steht im Vordergrund, warum das Engagement in der MAV nicht nur eine Bereicherung für die Kollegen und im direkten Arbeitsumfeld ist; es kann außerdem als persönliche „Lebensschule“ betrachtet werden und erheblich zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen.
Non scholae, sed vitae discimus
„Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.“ Was für die Schule gilt, lässt sich genauso auf die MAV-Arbeit übertragen: Auch hier lernen wir nicht nur für die vier Jahre der aktiven Mitbestimmung in der gewählten Interessenvertretung; vielmehr lernt man für das ganze Leben. Josef Meiers, pädagogischer Mitarbeiter des KönzgenHauses, gibt seit 1994 MAV-Kurse; bis 2006 im Bistum Aachen, seitdem in Haltern. Mit einem Augenzwinkern bezeichnet er die durch die MAV-Arbeit erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse als „Persönliche Weiterbildung auf Kosten der Dienstgeber*in“. Denn in den Seminaren erlangen die MAV-Mitglieder nicht nur Basiswissen über das kirchliche Arbeitsrecht.
Mehr Wissen, mehr Macht – in allen Bereichen
„Unser Schulungsprogramm gibt noch so viel mehr her – es geht um Mitbestimmung, um Mobbing, den Umgang mit Konflikten, Instrumente der Gesprächsführung, persönliches Tarifrecht, aber auch alle Sozialrechtsthemen.“, ergänzt Meiers Kollegin Ruth Hochgürtel. „Alle Erkenntnisse, die ich hier gewinne, sind nicht nur für meinen konkreten Arbeitsbereich wichtig; ich erlerne hier auch Basics über Themen, die zwar Dauerthema in Familie und Freundeskreis sind, mit denen sich aber kaum jemand tiefergehend auskennt.“
Genau das sei auch der Grund für viele Probleme innerhalb der Arbeitswelt, pflichtet Michael Ossege, ebenfalls pädagogischer Mitarbeiter im KönzgenHaus, seinen Kollegen bei: „Die meisten Mitarbeiter*innen wissen einfach viel zu wenig über ihre Rechte und über die Pflichten der Dienstgeber*in; sie sind nur halb informiert, haben teils gefährliches Halbwissen. Das Wissen, das man in den MAV-Kursen und für das ganze Leben mitnimmt, geht nicht mehr verloren. Und die Kenntnisse über geltende arbeitsrechtliche Regelungen in Bezug auf Arbeitszeit, Gehalt, Eingruppierung, Direktionsrecht der Dienstgeber*in und vieles mehr kann ich wiederum weiterverbreiten – und so zum einen im Freundes- und Bekanntenkreis konkrete Hilfe bieten, als auch den gesellschaftlichen Diskurs vorantreiben.“
Begegnung und Austausch
Neben dem umfangreichen Wissen, dass man in den vier Jahren der betrieblichen Mitbestimmung vermittelt bekommt, sind es aber auch die vielen Begegnungen mit anderen MAV-Mitgliedern aus anderen Berufsfeldern, die den eigenen Horizont erweitern. Man schaut über den Tellerrand hinaus und lernt durch den gemeinsamen Austausch, die Dinge auch aus einer anderen Perspektive heraus zu betrachten.
Und nicht zuletzt stärkt die Auseinandersetzung mit den eigenen Rechten und die neue Rolle auf Augenhöhe mit dem oder der Dienstgeber*in das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl.
Persönliche Charakterstärkung
„In der Rolle als MAV-Vertreter bekommt man ganz andere Einblicke in die Geschäftsführung und auch in das Heiligste eines Unternehmens, in die Bilanz. Man ist dazu angehalten, Konflikte anzusprechen, nichts mehr in sich hinein zu fressen, für die eigenen Belange und die der Kolleg*innen einzutreten, den Finger in die Wunde zu legen, um Verbesserungen zu schaffen. Das ist keine leichte Rolle.“, erklärt Josef Meiers. Aber nur so könne man etwas bewirken.
„Durch diese Auseinandersetzung mit sich selbst und der Dienstgeber*in, aber eben auch durch die entsprechenden Kurse werden wichtige Charaktereigenschaften weiter geformt, es wächst das Selbstvertrauen, man erlernt die Fähigkeit vor oder mit anderen zu sprechen.“, bekräftigt Michael Ossege die Worte von Josef Meiers.
Und Ruth Hochgürtel ergänzt: „Es ist ein tolles Gefühl, die MAV-Vetreter*innen über ihre Amtszeit - und meist auch gleich noch direkt über eine zweite - hinweg zu begleiten. Anfangs ist meist kaum Grundwissen vorhanden, oder dieses ist sehr überschaubar; aber genau dafür sind wir ja da. Und dann ist es umso schöner mitzuerleben, wie sich die Teilnehmenden einarbeiten; wie sie an Fragen dranbleiben, die Dienstgeber*in nach und nach von Verbesserungen überzeugen und schließlich sogar oft andere Kolleg*innen für die MAV-Arbeit gewinnen und zu uns schicken. Man erkennt oft einen tollen Entwicklungsprozess; und das nicht nur in fachlicher Hinsicht, sondern eben auch in der Persönlichkeit.“
Foto: Maik Meid