Die Kooperationsveranstaltung von KönzgenHaus und der DiAG Münster ging der Frage nach, inwieweit Loyalitätspflichten von Arbeitnehmer*innen in Kirche und Caritas in die persönliche Lebensführung hineinreichen dürfen. Dabei fanden die prominenten Referenten vor den rund 100 Teilnehmern zum Teil erstaunlich offene Worte; alle teilten die Forderung einer Überarbeitung der aktuellen Grundordnung.
Angst vor Kündigung
Müssen Geschiedene Angst vor einer Kündigung haben, wenn sie sich wiederverheiraten? Und wie sieht es mit Mitarbeitern in Kirche und Caritas aus, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung oder Ehe leben? Diese Fragen werden immer wieder kontrovers diskutiert und je nach Dienstgeber oder Pfarrgemeinde unterschiedlich bewertet. Das erste Fazit der gestrigen Fachtagung mit Moderator Joachim Frank vom Kölner Stadtanzeiger: Sowohl Mitarbeitervertretungen als auch Dienstgeber möchten ihren Arbeitnehmern diese Unsicherheiten gerne nehmen. Der Münsteraner Generalvikar Klaus Winterkamp erklärte, dass es deshalb schon jetzt viele Beratungsinstanzen und Einrichtungen gäbe, die Betroffene in kritischen Situationen in Anspruch nehmen können – am Besten schon vor der Auseinandersetzung mit dem Dienstgeber.
Forderung nach Reformierung der Grundordnung
Müssen sich Betroffene heutzutage also bei einem Dienstgeber-Wechsel keine Sorgen machen, dass ihre Situation neu bewertet werden könnte? Diese Frage einer Mitarbeitervertreterin lässt sich leider auch weiterhin nicht pauschal und eindeutig klären, so Generalvikar Klaus Winterkamp. Eine ernüchternde Antwort, die seine Forderung nach einer Überarbeitung und Präzision der Grundordnung unterstreicht. Diese ist in Deutschland der Grundpfeiler der Arbeitsverfassung der katholischen Kirche und gilt für rund 750.000 Arbeitnehmer.
Gesellschaftlicher Wandel verlangt neue Ansätze
Gerade bei Fragen der persönlichen Lebensführung müsse man mit der Zeit gehen und die gesellschaftlichen Entwicklungen berücksichtigen, machte auch der Münsteraner Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann in seinem Vortrag deutlich. Natürlich müssen sich Mitarbeiter*innen loyal gegenüber ihrem Arbeitgeber verhalten. Dennoch dürften es keine überhöhten moralischen Festsetzungen sein, an denen sie sich messen müssen. Vielmehr müsse man bei der Frage nach der Loyalität weg vom bloßen Blick auf die Einzelperson hin zur Orientierung an der Institution. Genauso sieht es Generalvikar Klaus Winterkamp: „Die Loyalität eines Arbeitnehmers muss sich am Sendungsauftrag der Kirche insgesamt bemessen.“
Von der Personen- zur Institutionen-Orientierung
Jede Institution oder Einrichtung müsse ihren Auftrag für sich selbst klären und festlegen. Und von dieser Stelle aus könne man dann Grundsätze für die Loyalität der jeweiligen Mitarbeiter festlegen.
So müssten im Bistum Münster bereits längst nicht mehr alle Erzieherinnen und Erzieher in einer katholischen Kita auch katholisch sein; genauso könnten hier Muslime arbeiten. Entscheidend sei dafür nur die Identifikation mit den Zielen einer katholischen Einrichtung im Berufsalltag.
In leitenden Positionen oder in einer Einrichtung, die sich als „Lebensort des Glaubens“ sehe, stelle sich dies aber natürlich anders dar als beispielsweise für einen Mitarbeiter in der Verwaltung oder eine heilpädagogische Tageseinrichtungen mit anderem Schwerpunkt.
Keine führenden AfD-Mitglieder in leitenden Positionen
Hingegen eindeutig sei für ihn der Widerspruch zwischen dem Sendungsauftrag der katholischen Kirche, welcher in der Grundordnung aufgeführt ist, und einem aktiven Eintreten für die AfD, positionierte sich Winterkamp sehr deutlich. Im Bistum Münster könnten führende AfD-Mitglieder somit seiner Meinung nach keinerlei Leitungsaufgaben übernehmen. Dies widerspreche den Grundwerten des christlichen Menschenbildes. Allerdings spreche er bei dieser Meinungsäußerung als Theologe, so der Generalvikar; wie es mit seiner Meinung zur „demokratie- und menschenverachtenden Politik“ einzelner Teile der AfD vor einem Arbeitsgericht aussehe, vermag er nicht zu sagen.
Klarere Vorgaben sind notwendig
Die generelle Notwendigkeit von klareren Vorgaben für die Mitarbeiter durch Überarbeitungen der derzeitigen Grundordnung unterstrich auch der dritte Referent der Veranstaltung, Hermann Reichhold. Der Arbeitsrechtler der Universität Tübingen leitet die Forschungsstelle für kirchliches Arbeitsrecht. Er plädierte für eine klar formulierte Grundordnung, die Kündigungsgründe präzisiert, ebenso wie für ein gemeinsames und einheitliches Agieren der Diözesen. Anderenfalls könnte es problematisch werden.
„Wir sind gefangen in dieser Problematik“
Denn für die Überarbeitung der Grundordnung brauche es den Konsens aller Diözesen in Deutschland. Und bis bei der deutschen Bischofskonferenz etwas in Bewegung komme, werde es dauern, bedauerte Generalvikar Winterkamp: „Zwei, drei, fünf oder zehn Jahre.“ Trotz dieser ernüchternden Schlussworte nehmen die Veranstalter insgesamt ein sehr positives Fazit zu der diesjährigen Fachtagung mit nach Hause; die herrschende Einigkeit zwischen Dienstgebern und Mitarbeitervertretungen sei ein Schritt nach vorne. Vor allem die überraschend offenen Worte von Kessmann und Winterkamp fanden großen Anklang bei Martin Wennekers, Vorsitzendem der DiaG-MAV Münster. Man werde aber weiterhin dranbleiben und den Dienstgebern für die Reformierung der Grundordnung auf die Füße treten.