Forum und Asylkreis aus Haltern haben mit Unterstützung des Halterner Könzgenhauses und Marler Engagierten der katholischen Pfarrei und Pro Asyl am Samstagmorgen, den 6.6.2020, vor der Zentralen Unterbringungseinrichtung in Marl am Lehmbecker Pfad eine vom Polizeipräsidium genehmigte Kundgebung abgehalten.
Offener Brief an den Ministerpräsidenten
Zuvor hatten sich die Halterner zusammen mit der evangelischen und katholischen Kirche in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten sowie weitere Verantwortliche auf kommunaler, Kreis- und Landesebene gewendet.
Die Menschen in den Sammelunterkünften seien gerade in der Coronakrise einem hohen Risiko ausgesetzt, obwohl Kirchen und andere Organisationen immer wieder alternative Unterbringungs- und Integrationsmöglichkeiten angeboten haben. Die engagierte Zivilgesellschaft und die in der ZUE lebenden Flüchtlinge müssen sich seit Einführung des Asylstufenplans einem System beugen, das Integration und Selbstbestimmung verhindert.
Unterstützung trotz Kritik am System
Die Halterner Aktiven sind nicht das erste Mal in der Landesunterkunft in Marl. Bei aller Kritik an dem System der zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) unterstützen die Halterner aktiv die Marler Flüchtlingshilfe beim Aufbau eines Willkommenscafés im katholischen Pfarrheim gegenüber. Der Marler Pfarr Innig schätzt den Halterner Asylkreis daher sehr und gesellt sich gerne zu den Demonstranten. Viele Gespräche – eine Meinung: Im Laufe des Vormittags führen die Halterner viele Gespräche mit den Wachdiensten und Angestellten von European Homecare, die zusammen mit der Bezirksregierung die ZUE in Marl „betreuen“.
Gespräche am Zaun und über den Zaun hinweg
Später wagen sich auch die Bewohner dazu; sie bekommen schnell mit, dass die erfahrenen Flüchtlingshelfer*innen ihnen wohl gesonnen sind und erzählen von ihren Sorgen und Nöten hinter dem Zaun. Alle scheinen sich einig zu sein, dass ohne Zaun vieles leichter wäre. In den Gesprächen kommt man sich näher. Viele FragezeichenAlle Beteiligten haben ähnliche Fragen – zum Beispiel, warum die vierköpfige Familie, die schon ein ganzes Jahr lang hinter diesem Zaun lebt, nicht mit Hilfe der Flüchtlingshelfer eine Wohnung finden, die Kinder in die Schule gehen oder mit einer Ausbildung beginnen können.
Oder aber, warum man nicht im nahe gelegenem Pfarrheim selbst kochen und essen darf, sich stattdessen aber aufwendig mit Fertigkost morgens, mittags und abends beliefern lassen muss. Und auch, warum dieser Zaun sein muss, der Freundschaften und jeglicher Integration im Wege steht. Ist es nur die Angst vor rassistischen Übergriffen? Ist die Gesellschaft in Marl denn so anders als in Haltern, wo Flüchtlinge ohne den Schutz von Scharen von security, aber mit vielen Freundschaften zwischen Flüchtlingen und Halternern selbstbestimmt leben, essen und lernen können?
Coronavirus verschärft die bestehenden Gefahren
Für die Halterner Helfer hat das Coronavirus den letzten deutlichen Beweis geliefert: Das Leben hinter dem Zaun gefährdet die Gesundheit und das Leben der Flüchtlinge. Auch in einer Halterner Flüchtlingsunterkunft gab es einen Infektionsfall; aber durch die eigenständigen Wohneinheiten entstanden hier keine Infektionsketten. Anders in Marl; hier haben sich direkt über 20 Flüchtlinge angesteckt.
In Haltern hingegen hat ein ehrenamtlicher Einkaufsdienst ohne großen Aufwand eine Woche Quarantäne überbrückt – und das kostenlos! In Marl braucht es hingegen ein komplettes Catering, das zwar kostspielig ist, dennoch aber niemals die Bedürfnisse und Wünsche der Bewohner wirklich befriedigen kann.
Selbstbestimmung und Integration – in Marl endet beides am Zaun. Die Halterner hoffen nun darauf, dass die Politik den erneuten Weckruf wahrnimmt und den Zaun endlich beseitigt. Denn ohne diesen wär’s definitiv leichter!