„Wir erleben derzeit einen politischen Frontalangriff auf Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie“, beklagte der Europa-Experte von Pro Asyl, Karl Kopp, bei der Diskussion im KönzgenHaus mit 70 engagierten Vertreter*innen des Asylkreises, der Flüchtlingsräte aus den Nachbarstädten, KAB und von Amnesty International. Die engagierten Verfechter*innen der humanitären Flüchtlingshilfe waren sich einig: „Wir müssen in Bündnissen deutlich Gegenposition beziehen zu den aktuellen politischen Bestrebungen der Einschränkungen, denn es handelt sich um abzuwehrende Angriffe von rechts auf demokratische Errungenschaften“.
In seinem Vortrag hatte Karl Kopp die Rechtsbrüche in der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik und ihre katastrophalen Folgen aufgezeigt. „Tausende Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Elend fliehen, sterben an Europas Grenzen oder vegetieren dort unter haftähnlichen Bedingungen in Lagern unter Verletzung der Menschenwürde“. Die Flüchtlingskrise in Europa entwickelt sich nach Auffassung von Pro Asyl „zur Rassismuskrise mit menschenrechtsfreien Zonen auf der Balkanroute, in Griechenland und Ungarn“. Die Vorzugsbehandlung der Ukraine-Flüchtlinge sollte als Vorbild auch für alle anderen Geflüchteten gelten.
„Rechtswidriger Ausbau der Festung Europa“
Der Ausbau der „Festung Europa“ mit meterhohen Stacheldrahtzäunen schreite voran, so Karl Kopp: „ Autoritäre Drittstaaten, die als Diktaturen Menschenrechte missachten, werden von Europa vertraglich als Türsteher eingesetzt, statt Fluchtursachen zu verhindern.“ Das Dublin-System sei „unmenschlich und unsolidarisch, weil es Flüchtlinge wie Stückgut brutal hin- und herschiebt“. Die damit einhergehenden Rechtsverstöße gegen die Flüchtlings- und Menschenrechtskonvention und das Völkerrecht sowie gegen Urteile des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte seien eine „Schande für die EU“, die stattdessen legale Fluchtwege eröffnen solle und nationale Rechtsverstöße sanktionieren müsse. „Wer verteidigt das Projekt Europa?“ fragte Karl Kopp.
„Kollateralschaden für die Fachkräfte-Anwerbung“
Die aktuelle parteiübergreifende Diskussion in Deutschland um Obergrenzen, stationäre Grenzkontrollen, Ausweitung sicherer Herkunftsländer, effektivere Abschiebungen und Migrationsabkommen mit Herkunftsländern empörte die Anwesenden im Vortragssaal. „Für das Anwerben benötigter und zuzugswillger Fachkräfte aus anderen Ländern bewirkt das politische Klima in Deutschland einen Kollateralschaden und wird zum wirtschaftlichen Standortnachteil“, bemerkte Karl Kopp.
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigen
Eingangs hatte Prof. Dr. Nienhüser vom Halterner Forum eine philosophische Betrachtung über die Chancen und Folgen offener Grenzen vorangestellt. Mit den Veranstaltern von KönzgenHaus, Asylkreis, Halterner Forum, IWiPo-Institut und KAB waren sich die Anwesenden nach dem flammenden Appell von Annette Seier, stellvertretende Geschäftsführerin des KönzgenHauses, einig: Einer Einschränkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müsse auch im eigenen Interesse entschieden entgegengetreten werden.
Foto: M. Schwirske
Text: W. Neurohr