Welches Maß an Ungleichheit verträgt die Demokratie?

Lesung mit der Journalistin Julia Friedrichs führt in die Welt der „Crazy Rich“

In die „geheime Welt der Superreichen“ tauchten jetzt die Besucher*Innen der Lesung mit der preisgekrönten Journalistin und Filmemacherin Julia Friedrichs im Halterner KönzgenHaus ein. Friedrichs recherchiert und schreibt zu den Themen Ungleichheit und Vermögensverteilung; ihr aktuelles Buch, das sie im KönzgenHaus vorstellte, trägt den Titel „Crazy Rich – Die geheime Welt der Superreichen.“

 

Bei ihrer Begrüßung zitierte Annette Seier vom KönzgenHaus Bertolt Brecht: „Reicher Mann und armer Mann standen da und sah`n sich an. Da sagt der Arme bleich: Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.“ Sie fragte: „Soll der Überfluss des einen nicht dem Mangel des anderen abhelfen?“ Denn unermesslicher Reichtum und Elend liegen dicht beieinander. Die Angst vor dem Abstieg werfe die Frage auf „Welches Maß an Ungleichheit verträgt unsere Demokratie?“

 

Für die Veranstaltergemeinschaft (Halterner Forum/ VITUS/ KAB/ DGB und KönzgenHaus) lenkte Herbert Bludau-Hoffmann den Blick auf die verschiedenen Facetten der „Crazy Rich“. Er verwies auf den Zusammenhang von Reichtum und Macht, Steuergerechtigkeit und Klimaschädigung. Dies waren auch die Themen der Gesprächsrunden mit den Anwesenden, denn „über exorbitanten Reichtum muss offen gesprochen werden“, so das Anliegen von Julia Friedrichs.

 

Reichtum beginnt für Julia Friedrichs bei drei bis fünf Millionen Euro, superreich sei man ab 20 bis 30 Millionen bzw. 100 Millionen Euro Nettovermögen, die überwiegend durch leistungsloses Erben erlangt werden. Friedrichs nannte auch Beispiele von Familienvermögen von 50 Milliarden Euro an der Spitze. Es gebe aber kaum Statistiken oder wissenschaftliche Untersuchungen über Reichtum. Weil diese Quelle kaum zur Verfügung steht, hat Friedrichs für ihr Buch Gespräche mit den Besitzern großer Vermögen geführt.

 

Das war nicht einfach. Reichtum in Deutschland ist diskreter Reichtum. Unter dem Siegel der Anonymität konnte sie mit einem jungen Milliardenerben sprechen, der mit drei Geschwistern als Erbe „in den Reichtum hineingeboren“ wurde, aber sich um Normalität bemühe. Die Gespräche über Reichtum und elitäres Denken, Fragen der Gerechtigkeit, das Bemühen um Normalität und unbelastete Freundschaften gehören zu den Höhepunkten des Buches.

 

In „Crazy Rich“ gibt es neben emotionalen Passagen viele Informationen über Steuermoral und Parteispenden, Reichtum als Klimakiller und Wohltätigkeit nach Gutdünken. Julia Friedrichs schilderte einen Fall aus Coburg, wo ein reicher Unternehmer mittels Spenden Druck auf die Stadtverwaltung und Lokalpolitiker für seine Interessen erfolgreich ausübte, denn, so Friedrichs, „Geld öffnet viele Türen“. Befragte Reiche hätten angegeben, sie seien „deutlich mächtiger als Politiker“.

 

Dies äußere sich auch in der legalen Nutzung von Steuerschlupflöchern durch die Vermögensverwalter der Superreichen. „Wir sind ein Hochsteuerland beim Arbeitseinkommen und ein Niedrigsteuerland bei großen Vermögen“, stellte Julia Friedrichs fest und löste damit eine heftige Diskussion bei den Anwesenden über Lobbyismus zugunsten der Vermögenden aus. Letztere seien auch die größten Klimasünder. „Wir brauchten 25 Planeten, wenn wir alle so ein Reichtumsniveau hätten“, meinte Friedrichs. 

 

Am Ende ihres Buches fächert die Autorin Vorschläge auf, wie sich Überreichtum begrenzen ließe und welche demokratisch verantwortungsvollen Möglichkeiten es gäbe, den Geldüberhang an die Breite der Gesellschaft zurückfließen zu lassen und die Abstände zwischen Reichen und Armen zu verringern. 

 

Foto: Buchautorin Julia Friedrichs beim Signieren Ihres Buches, hier mit Annette Seier und Herbert Bludau-Hoffmann von der Veranstaltergemeinschaft